St. Martin am Ybbsfelde, "Friedensglocke" in der Pfarrkirche St. Martin
Die Marktgemeinde St. Martin-Karlsbach liegt im Westen des Bezirks Melk in Niederösterreich. Eine erste urkundliche Erwähnung der Martinskirche liegt aus dem Jahr 1147 vor. Das ursprünglich einschiffige Gotteshaus wurde in der Zeit der Gotik um- und ausgebaut. Aus dieser Zeit ist u. A. noch ein größeres Fresko im Chorraum, gegenüber der Sakristei, erhalten. Auch in der Folgezeit blieb die Kirche nicht unberührt: So entfernte man im Jahr 1658 oder 1659 eine der Hl. Katharina geweihte Seitenkapelle und ersetzte sie durch eine Chorempore. Eine große Gesamtrestaurierung fand 1948 statt. In den Jahren 1987/88 erfolgte schließlich eine Erweiterung des Gotteshauses.
"Friedensglocke" a'
Die Glocke wurde im Jahr 1200 gegossen. Nähere Informationen über die Glocke und ihre Besonderheit folgen weiter unten.
Beschreibung der Glocke und Auszüge aus der Glockengeschichte
Im Turm der Pfarrkirche St. Martin am Ybbsfelde befindet sich eine glockenmusikalische Rarität ersten Ranges - die älteste bekannte und datierte Glocke weltweit, die in ihrem Tonaufbau bereits sehr genau dem Idealtypus einer Molloktavglocke entspricht, wie er bis heute üblich ist - zu Beginn des 13. Jahrhunderts in der Glockengießerkunst noch alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Ein Blick auf die Teiltöne zeigt die erstaunliche Exaktheit im Tonaufbau: Schlagton: a'+3 - Unterton: a°+2 - Prime: a'+2 - Terz: c''+5 - Quinte: e''+-0 - Oktave: a''+3
Die Glocke überdauerte alle Kriege und Bedrohungen und musste auch in den beiden Weltkriegen nicht abgeliefert werden. In der Überlieferung wird beispielsweise berichtet, dass die Glocke auch die Türkenzeit überstand, weil sie vergraben wurde und - nach überstandener Kriegsgefahr - Wildschweine die inzwischen vergessene Glocke ausgewühlt haben sollen.
Wegen ihrer Einzigartigkeit ziert eine schmematische Darstellung der Friedensglocke seit dem Jahr 1981 auch das Wappen der Marktgemeinde St. Martin-Karlsbach.
Im Jahr 1957 wurde die Glocke auf Wunsch des österreichischen Bundesdenkmalamtes aus dem regulären Läutebetrieb herausgenommen und offiziell stillgelegt. Sie erklingt heute nur noch wenige Male im Jahr.
An ihre Stelle traten 1957 zwei neue Glocken von der Gießerei Pfundner aus Wien. Bei der Konzeption der größeren Christusglocke orientierte man sich tonal an der Friedensglocke, die von ihr ja ersetzt werden sollte. Diese Tatsache geht auch aus der Inschrift hervor: "Die alte Glocke ging zur Rast, ich aber übernehme ihre Last". Die kleinere neue Glocke, dem Hl. Martin geweiht, erhielt den Ton h¹. Zusammen mit der barocken Dreifaltigkeitsglocke (Mathias Prieninger (Krems) 1691), die im Schlagton d'' erklingt, bilden die drei Glocken das eigentliche Hauptgeläut von St. Martin, welches sich zu einem Gloria-Motiv a'-h'-d'' zusammenfügt.
"FRIEDENSGLOCKE"
Schlagton: a'+3 Gewicht: ca. 600 kg
Durchmesser: 96 cm - Höhe: 74 cm Gießer und Gussjahr: ubz. 1200
Schulterinschrift (spätromanische Majuskeln):
+ (Tatzenkreuz) OREX·GLORIE-VENI·CV·PACE·MCC
Übersetzung: O König der Herrlichkeit, komm mit Frieden. 1200
Auf Grund diese Inschrift wird die Glocke auch "Friedensglocke" genannt.